Einmal wöchentlich steht für die Mitglieder des Kartoffelkombinats eine Kiste mit frisch geerntetem Bio-Gemüse bei einem der vielen Verteilpunkte im Stadtgebiet von München zum Abholen bereit. Erzeugt werden die Lebensmittel in einem Naturland-Betrieb, keine 20 Kilometer vom Marienplatz entfernt, von Gärtnern, die für ihre Arbeit fair bezahlt werden.
Das Ganze ist genossenschaftlich organisiert, d.h. es gibt keine Kunden, sondern nur Genossen. Alle Mitglieder haben die Möglichkeit, sich beim Mitgärtnern oder Kistenpacken zu engagieren, man kann an Info-Veranstaltungen, Hoffesten etc. teilnehmen und darf mitbestimmen, was angebaut wird. Das Ernterisiko trägt nicht der Landwirt alleine, sondern die Gemeinschaft, die sämtliches Gemüse unter sich aufteilt – auch die krumm gewachsenen Karotten. Klingt gut, oder?
Aber jetzt nochmal von vorne: 2012 wurde das Kartoffelkombinat von Simon Scholl und Daniel Überall gegründet. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Solidarische Landwirtschaft“ (Community Supported Agriculture, CSA), organisiert in Form einer Genossenschaft. Das bedeutet, dass alle Mitglieder (Genossen) dem Landwirt die Abnahme all seiner erzeugten Lebensmittel garantieren. Die dabei entstehenden Kosten, also Saatgut, Löhne, Diesel, etc. übernimmt die Gemeinschaft und finanziert diese im Voraus. So kann sich der Landwirt voll und ganz auf den Anbau konzentrieren. Zusätzlich erhält der Landwirt dadurch Planungssicherheit und es werden lokale Betriebe gefördert – mit allen Vorteilen der regionalen Erzeugung von Lebensmitteln.
In die Kisten vom Kartoffelkombinat kommt hauptsächlich Gemüse von der →Naturland-Gärtnerei Sigi Klein in Eschenried. Ergänzt wird die Auswahl durch Lebensmittel von befreundeten Höfen aus der Nachbarschaft. Aber immer nur die Sorten der Saison und lagerfähige Ware, wie Äpfel, Kartoffeln oder Zwiebeln. Zusätzlich kann auch ein Bio-Brot-Abo dazu bestellt werden. Die Mitglieder erhalten 46 Gemüsekisten im Jahr, für einen monatlichen Beitrag von 68€ und eine einmalige Beteiligung von 150€. Eine Kiste mit bunt gemischtem Gemüse reicht aus eigener Erfahrung leicht für die Grundversorgung von zwei Personen.
Mittlerweile kommen über 400 Münchner Haushalte wöchentlich in den Genuss einer Gemüsekiste vom Kartoffelkombinat. Damit man sich das Ganze in Ruhe anschauen kann, gibt’s immer mal wieder 6-Wöchige Testrunden für Interessierte. Passend zum Frühlingsanfang, wenn die ersten zarten Pflänzchen sprießen, war es wieder so weit und auch wir hatten die Chance Genossen auf Probe zu werden, so zu sagen.
Aber warum das Ganze?
Mich stört schon lange das Bild, das einen in (Bio-)Supermärkten und leider auch bei Gemüsehändlern oder auf manchen Märkten erwartet: Obst und Gemüse, ein Stück gleicht dem Anderen, alles relativ geschmacklos und um die halbe Welt gekarrt, um alles möglichst billig und unabhängig von der Jahreszeit anbieten zu können. Eine unnötige Praxis, vor allem für Obst und Gemüse, welches in hervorragender Qualität in unserer direkten Umgebung wächst, bzw. wachsen würde.
Da helfen mir die Bio-Siegel leider auch nicht viel weiter, denn ob bio oder konventionell macht in diesem Fall keinen großen Unterschied. Die Qualität und Frische bleibt – im wahrsten Sinne – auf der Strecke, geerntet wird zum Teil unter unmenschlichen Bedingungen, die Natur wird unnötig belastet und ein großer Teil der erzeugten Lebensmittel schaffen es erst gar nicht zu uns, da sie optisch nicht der Norm entsprechen.
Zudem hat in diesem System die Saisonalität komplett an Bedeutung verloren, was aber nichts mit Fortschritt zu tun hat. Ich finde es eher unglaublich Schade, dass wir uns immer weiter von den natürlichen Kreisläufen entfernen. In Wahrheit schmeckt doch nichts besser, als der erste Spargel des Jahres, der noch vor ein paar Stunden in seinem Erdhügel gesteckt ist, und auf den man sich schon seit Wochen gefreut hat. Oder die ersten, sonnengereiften Erdbeeren, die endgültig den Sommer einleiten.
Aus diesen Gründen war/bin ich auf der Suche nach Alternativen, da ich diese Praxis – genau wie viel andere Auswüchse der Agrarindustrie – nicht länger durch mein Kaufverhalten unterstützen möchte. Sicherlich wäre eine übliche Ökokiste oder der wöchentliche Bauernmarkt schon ein guter Anfang, aber das Kartoffelkombinat hat eben noch ein paar weitere Vorteile:
- das Konzept ist auf das Gemeinwohl ausgerichtet, transparent und dient dem Umweltschutz
- das Kartoffelkombinat ist eine spannende Gemeinschaft, die vom Engagement der Mitglieder lebt, und eine Vielzahl interessanter Veranstaltungen bietet
- es macht Spaß, sich vom Kisteninhalt überraschen zu lassen. Die bunte Mischung sorgt zudem dafür, dass mehr Gemüse anstatt Fleisch auf dem Teller landet. Darunter sind auch einige Sorten, die man selber vielleicht nicht gekauft hätte – so ergeben sich viele Möglichkeiten, neue Rezepte zu probieren
- man kann zur Gärtnerei fahren, sich anschauen, wie das Gemüse wächst und sogar miternten. Dadurch, und durch die ausführliche Beschäftigung mit dem Thema, lernt man das Gemüse noch mehr zu schätzen
- durch den regionalen Anbau ist die Ernährung zwangsläufig wieder von der Jahreszeit geprägt
Damit hat die Mitgliedschaft im Kartoffelkombinat für mich einen enormen Mehrwert, den viele andere Gemüsequellen nicht bieten (können). Aus diesem Grund lässt sich eigentlich auch kein Vergleich des Kilopreises – zum Beispiel mit dem Wochenmarkt – anstellen.
So viel Text, aber schmeckt’s denn jetzt?
Absolut! Sämtliches Gemüse war immer frisch bzw. hervorragende Lagerware und voller Geschmack! Auch über die ca. 6-8 verschiedenen Sorten pro Kiste lässt sich nicht meckern. Drin waren unter anderem Äpfel, Karotten, Rote Beete, Kartoffeln, Spinat (perfekt mit pochierten Eiern!), Pflücksalat, Zwiebeln, Schnittlauch, Basilikum, Batavia, Rucola, Frühlingszwiebel, Mairüben, Kohlrabi, Rettich und Radieserl. Dank dieser Vielfalt kommt man damit als 2-Personen-Haushalt wunderbar und abwechslungsreich durch die Woche. Natürlich ist es nötig, gelegentlich noch anderes Gemüse zu kaufen, aber der Grundbedarf ist durch die Kiste gedeckt.
Bleibt nur noch die Frage, ob man sich auf die allwöchentliche Kistenlieferung einstellen kann. Eigentlich fand ich es ganz praktisch, denn der wöchentliche Gemüseeinkauf war damit im Großen und Ganzen auch schon erledigt. Das Problem dabei war, dass unser Arbeitsalltag bei Weitem nicht so regelmäßig ist, wie die Lieferung. Dadurch fehlt oft die Möglichkeit, die frischen Zutaten zeitnah zu verarbeiten. Nachdem es ja aber auch nicht Sinn der Sache ist, wenn frisches Gemüse dann im Kühlschrank auf die Zubereitung warten muss, haben wir uns – zumindest vorerst – gegen eine dauerhafte Mitgliedschaft im Kartoffelkombinat entschieden.
Die Idee und das Konzept finde ich aber nach wie vor großartig und ich kann’s jedem nur empfehlen, der ebenfalls Interesse an frischem, hochwertigem und fair erzeugtem Gemüse aus der Region hat. Im Sommer soll es noch eine weitere Testrunde geben.
Für mehr Informationen schaut auf die →Homepage vom Kartoffelkombinat. Bei →Vimeo findet ihr zusätzlich ein sehr schönes Video über die Genossenschaft und auch im →ARD lief bereits ein Beitrag.